Nachdem wir mit Die statische Unwucht und Die Momentenunwucht die Grundkomponenten jeglicher Unwucht betrachtet haben wenden wir uns heute deren Mischformen zu.
Die quasi-statische Unwucht
Quasi-statische Unwucht ist eine spezielle Kombination aus statischer Unwucht und Momentenunwucht. Die Besonderheit, die die quasi-statische Unwucht von der allgemeinen dynamischen Unwucht unterscheidet ist die Lage der statischen und Momentenunwucht zueinander: Beide Komponenten liegen in derselben Längsebene.
Dieser Zustand stellt sich am perfekt ausgewuchteten Rotor ein, wenn eine einzige Unwuchtmasse in einer Radialebene abseits der Schwerpunktebene angebracht wird.
Durch diese Besonderheit lässt sich eine quasi-statische Unwucht durch den Ausgleich in einer Ebene beseitigen.
Die dynamische Unwucht
Dies ist der allgemeinste Begriff der Unwucht. Eine dynamische Unwucht kann aus einer beliebigen Kombination aus statischer und Momentenunwucht bestehen, ohne das dabei bestimmte Beziehungen zwischen den einzelnen Komponenten bestehen müssten.
Der Unwuchtzustand kann immernoch durch eine Kombination aus statischer und Momentenunwucht dargestellt werden. In dem obigen Bild beschreiben die Vektoren Um, -Um und US den Unwuchtzustand des Rotors.
Üblicherweise wird der Unwuchtzustand jedoch durch die Angabe von zwei Unwuchtvektoren in beliebig gewählten Ebenen angegeben. UE1 und UE2 in obiger Abblidung beschreiben den Unwuchtzustand des Rotors genau so akkurat wie die drei Vektoren, die ihn als Kombination aus statischer Unwucht und Momentenunwucht beschreiben.
Die Beschreibung des Unwuchtzustandes durch zwei Vektoren hat einen entscheidenden Vorteil: Sie gibt Anleitung zur Beseitigung der Unwucht durch zwei Massekorrekturen. Dazu müssen nur die Ebenen, in der die Unwucht dargestellt wird in die Ausgleichsebenen gelegt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Da alle Arten der Unwucht letztendlich nur Sonderfälle der dynamichen Unwucht sind wird klar: Jeder Unwuchtzustand kann durch zwei Unwuchtvektoren dargestellt und ausgeglichen werden.
Hallo Herr Bobertag!
Erstmal vielen Dank für ihre informative Seite!
Mich beschäftigt beim Thema Auswuchtung ein etwas spezielles Problem
zu dem ich bisher keine Lösung gefunden habe. Und zwar sei gegeben ein
in Richtung der Drehachse langer Rotor der keinerlei Unwuchten aufweist,
weder statisch noch dynamisch. Der Rotor werde jetzt (gedanklich) längs der
Drehachse in mehrere Abschnitte aufgeteilt, die nun ihrerseits als scheibenförmig
betrachtet werden. Klar ist, daß man aus dem Wuchtzustand des gesamten
Rotors im Allgemeinen nicht auf den der einzelnen Abschnitte schließen kann,
zumindest nicht wenn es mehr als 2 sind.
Meine Frage ist jetzt ob es eine zerstörungsfreie Methode gibt Aussagen über
den Wuchtzustand der einzelnen Abschnitte des Rotors zu machen.
Hintergrund der Frage ist die Wuchtung von Kurbelwellen, die gesamte Welle
soll möglichst geringe Unwucht aufweisen, abschnittsweise, nämlich im Bereich
der Gegengewichte soll eine verhältnismäßig große, definierte Unwucht vor-
handen sein).
Viele Grüße
Sven
Hi Sven,
ich bin mir nicht sicher, ob ich die Aufgabenstellung voll verstanden habe.
Geht man von einem starren Rotor aus, dann ergibt sich für jeden Abschnitt, jede gedankliche Scheibe, das er entsprechend der Hebelgesetze und des Momentengleichgewicht (Technische Mechanik) den entsprechenden Teil der Gesamtunwucht trägt. Man verteilt also die 2 Ebenen, die ja die Summe aller Scheiben ist, auf die Scheiben. Ob dabei einer Scheibe mehr oder weniger als nach Technischer Mechanik von Starrkörpern (Schnittkräfte) zugewiesen werden sollte/kann, kann nicht beurteilt werden.
Bei elastischen Rotoren kann man entsprechend mehr Ebenen einführen und dort ist das auch üblich/nötig. Aber das ist dann etwas anderes.
Also ist meine Antwort: nein. Die Gegengewichte an den Kurbelwangen werden berechnet, auf die Kurbelzapfen „Meistergewichte“ aufgebracht (ersetzen Pleuel und Kolben) und dann gewuchtet, wobei die Korrekturen an den Gegengewichten über die Welle verteilt werden. Damit bekommt man die Kurbelwelle „ruhig“, weitere Prüfverfahren sind meines Wissens nicht nötig.
Viele Grüße,
Bob
Hallo Bob!
Nochmal Danke für deine Antwort!
Hat mich sehr gefreut weil ich dank Dir gerade was gelernt hab:
die Möglichkeit beliebige dynamische Unwuchten durch zwei
Vektoren in frei wählbaren Wuchtebenen darstellen zu können
bedeutet ja daß bei einer „n Scheiben“-Aufteilung eines Rotors
n-2 „Freiheitsgrade“ für die Wuchtzustände der einzelnen Schei-
ben existieren müssen – mit passender Wahl der beiden Übrigen
läßt sich dann immer noch jeder beliebige Gesamtwuchzustand
(insbes. Null) des Rotors einstellen … sehr schön!
Eher unschön ist allerdings daß dadurch klar wird daß auch in Ro-
toren ohne dynamische Unwucht starke „innere Kräfte“ wirken kön-
nen (wenn die einzelnen Scheiben starke Unwuchten aufweisen), die
im Betrieb möglicherweise den Rotor verbiegen. Oder, wenn er mehr-
fach gelagert ist, eben trotz des guten Gesamtwuchtzustands erheb-
liche Lagerkräfte erzeugen … hmm … aber nur wenn er sich verformen
kann … und das hattest du ja schon erwähnt …
Ich glaub ich muß mir da mal Fachliteratur zu besorgen, das ist ja wirk-
lich ein spannendes Thema!
Dir frohe Feiertage und ein gutes, erfolgreiches neues Jahr!
Sven
Hallo!
Ich nochmal … nach längerem Kopfzerbrechen über
das Thema dynamische Unwucht wollte ich mich doch
mal beim Fachmann erkundigen ob ich hiermit richtig
liege:
zu jedem Rotor R mit vorgegebener Drehachse Z und
Lagern, sprich Wuchtebenen, gibt es 2Scheiben-Rotoren
(2S-Ren) die dasselbe Unwuchtverhalten zeigen wie R.
Verlangt man zusätzlich daß deren Scheiben eine bestimmte
Lage auf der Drehachse haben, z.B. in den Wuchtebenen lie-
gen, dann sind die Unwuchten U1, U2 der Scheiben eindeutig
bestimmt. Wegen U = u*r ist damit aber noch nichts gesagt
über die Unwuchtmassen u1, u2 der Scheibenrotoren.
Fordert man weiter daß die Gesamtmasse des 2S-Rs
u1 + u2 (die Masse der Scheiben soll jeweils gleich ihrer Un-
wuchtmasse sein, also e = r) gleich der von R ist kann man
allerdings nur noch ein u frei wählen, das andere ist dann ja
wegen der Bedingung u1 + u2 = m fixiert.
Erst wenn man darüberhinaus auch noch verlangt daß R
und der 2S-R denselben Schwerpunkt haben sind u1 und
u2 endgültig festgelegt.
Soweit richtig?
Falls ja, so hätten wir für R einen Ersatzrotor gefunden der
aus nur zwei Massenpunkten besteht, das wär schonmal gut!
Viele Grüße
Sven